»EIBENHOLZ
Zauberstäbe aus Eibe gehören zu den selteneren, und desgleichen sind ihre idealen Besitzer von apartem und manchmal berüchtigtem Charakter. Es heißt, der Zauberstab aus Eibe würde seinen Besitzer die Macht über Leben und Tod verleihen, was man natürlich von allen Zauberstäben sagen könnte; und doch genießt die Eibe einen besonders düsteren und angsteinflößende Ruf im Reich der Duelle und Flüche. Allerdings ist es nicht richtig zu behaupten (wie es die tun, die nichts von der Zauberstabkunde verstehen), dass die Anwender von Eiben-Zauberstäben eher zu den dunklen Künsten neigen als andere. Hexen oder Zauberer, die sich am besten für einen Eibenstäbe eignen, können sich genauso gut als wildentschlossen erweisen, wenn es darum geht, andere zu beschützen. Aus diesen langlebigen Bäumen geschnitzte Zauberstäbe finden sich ebenso häufig in der Hand von Helden wie von Schurken. Wo Zauberer mit Eibenstäben begraben sind, entsprießt dem Zauberstab meist ein Baum, der das Grab des toten Besitzers bewacht. Nach meiner Erfahrung steht jedenfalls fest, dass der Eibenstab niemals einen mittelmäßigen oder zaghaften Besitzer wählt.
» ELDERHOLZ
Als seltenstes Zauberstabholz überhaupt, und seinem Ruf nach zutiefst unglücksträchtig, ist der Stab aus Elder (ein altes Wort für Holunder) schwieriger zu beherrschen als alle anderen. Es steckt machtvolle Magie in ihm, doch er verabscheut es, bei einem Besitzer zu bleiben, der unter seinen Mitmenschen nicht der Überlegene ist; ein hervorragender Zauberer ist nötig, um den Elderstab für längere Zeit zu halten. Der alte Aberglaube: „Hast du einen Elderstab, hast du niemals Glück“, geht auf diese Angst vor dem Zauberstab zurück, doch in Wahrheit ist er unbegründet, und jene törichten Zauberstabmacher, die sich weigern, mit Elder zu arbeiten, tun dies eher, weil sie bezweifeln, dass sie ihre Produkte verkaufen können, als aus Angst, mit diesem Holz zu arbeiten. Die Wahrheit lautet, dass nur eine höchst ungewöhnliche Persönlichkeit ihre vollkommene Entsprechung in Elder findet, und bei den seltenen Fällen einer solchen Verbindung bin ich sicher, dass den jeweiligen Hexen oder Zauberern ein besonderes Schicksal zugeeignet ist. Während meiner langen Studienjahre habe ich zudem festgestellt, dass die Besitzer von Elderstäben fast immer eine starke Wahlverwandtschaft mit jenen spüren, die von der Vogelbeere gewählt wurden.
»ESCHENHOLZ
Der Eschenstab hält an seinem einzig wahren Meister fest und sollte vom ursprünglichen Besitzer nicht weitergegeben oder verschenkt werden, da der Zauberstab dann seine Macht und seine Fähigkeiten verliert. Diese Neigung ist besonders ausgeprägt, wenn der Kern aus Einhorn ist. Nur selten hält ein Aberglaube um Zauberstäbe einer genauen Prüfung stand, doch meine ich, dass der alte Reim über Zauberstäbe aus Vogelbeere, Kastanie, Esche und Haselnuss (Die Vogelbeere schwatzt, die Kastanie dröhnt, die Esche ist stur, die Haselnuss stöhnt) ein Körnchen Wahrheit enthält. Es sind nicht die leicht von ihren Überzeugungen abzubringenden Hexen und Zauberer, welche am besten geeignet für Eschenstäbe sind. Wer allerdings dreist darauf beharrt, Zauberstäbe aus diesem prestigeträchtigen Holz auszuprobieren, wird von seinen Wirkungen enttäuscht sein. Der ideale Besitzer mag stur sein und gewiss mutig, aber nie grob oder arrogant.
»KASTANIENHOLZ
Dies ist ein ganz eigenartiges Holz mit vielen Facetten und ganz unterschiedlichem Charakter, je nachdem, wie der Zauberstabkern beschaffen ist, und es färbt einiges von der Persönlichkeit, die den Stab besitzt, auf ihn ab. Der Zauberstab aus Kastanie fühlt sich zu Hexen und Zauberern hingezogen, die geschickt darin sind, magische Tierwesen zu zähmen, die in eine starke Begabung für Kräuterkunde haben und von Natur aus gute Flieger sind. Wenn sie jedoch mit einer Drachenherzfaser verbunden sind, finden sie ihren besten Partner vielleicht unter jenen, die übermäßig am Luxus und an materiellen Dingen hängen und weniger empfindlich sind, wenn es darum geht, wie diese erlangt werden. Hingegen besaßen drei aufeinander folgende Vorsitzende des Zaubergamots Kastanien-Zauberstäbe mit Einhornhaar, denn diese Kombination zeigt eine Vorliebe für Persönlichkeiten, die mit allerlei Fragen von Recht und Gesetz befasst sind.
»KIRSCHHOLZ
Dieses sehr seltene Zauberstabholz ergibt einen Stab mit eigentümlichen Kräften, die von den Zauberschülern von Mahoutokoro in Japan äußerst geschätzt werden, wo die Besitzer von Zauberstäben aus Kirschholz besonderes Ansehen genießen. Westliche Zauberstabkäufer sollten sich alle Gedanken daran aus dem Kopf schlagen, dass die rosa Blüte des lebenden Baumes einen frivolen oder auch nur schmuckvollen Zauberstab ergibt, denn Kirschholz liefert häufig einen Stab von wahrhaft tödlicher Macht, unabhängig vom Kern, doch wenn er Drachenherzfaser enthält, sollte er niemals mit einem Zauberer ohne außerordentliche Selbstbeherrschung und Geisteskraft zusammengebracht werden.
»LORBEER
Man sagt, ein Lorbeerstab könne keine unehrenhafte Tat begehen, obwohl ich Lorbeerstäbe auf der Suche nach Ruhm (kein ungewöhnliches Ziel für jene, die am besten geeignet sind für diese Zauberstäbe) kennengelernt habe, die mächtige und manchmal tödliche Magie ausübten. Lorbeerstäbe werden manchmal als wankelmütig bezeichnet, aber das ist ungerecht. Der Lorbeerstab scheint unfähig, die Faulheit eines Besitzers hinzunehmen, und unter solchen Bedingungen ist er diesem am leichtesten und bereitwilligsten abzuringen. Ansonsten wird er sich zufrieden an seinen ersten Partner binden, und tatsächlich hat er die ungewöhnliche und liebenswürdige Eigenschaft, spontan Blitze auszusenden, wenn eine Hexe oder ein Zauberer versucht, ihn zu stehlen
» ROTEICHE
Man wird die Unwissenden häufig sagen hören, die Roteiche sei ein untrügliches Kennzeichen für das hitzige Temperament ihres Besitzers. Tatsächlich ist der richtige Partner für einen Roteichenstab mit ungewöhnlich schneller Reaktionsfähigkeit begabt, was diesen zu einem perfekten Duellstab macht. Er ist weniger verbreitet als Englische Eiche, und ich habe festgestellt, dass sein idealer Meister leichthändig, schnell von Begriff und anpassungsfähig ist, häufig der Schöpfer eigenwilliger, origineller Zauber und gut als Partner oder Partnerin in einem Kampf zu gebrauchen.
»STECHPALMENHOLZ
Stechpalme ist eine der selteneren Holzarten; traditionell wird ihr eine Schutzwirkung zugesprochen, und sie arbeitet am bereitwilligsten für jene, die Hilfe gebrauchen könnten, um einen Hang zu Jähzorn und Ungestüm zu überwinden. Zugleich wählen Stechpalmenstäbe häufig Besitzer, die auf einer gefährlichen und oft spirituellen Suche sind. Stechpalme ist eines jener Hölzer, das je nach Zauberstabkern äußerst unterschiedlich arbeitet, und es ist berüchtigtermaßen schwierig, es mit Phönixfeder zusammenzubringen, da der Wankelmut mit der hingebungsvollen Art des Phönix auf eigentümliche Weise in Konflikt gerät. In dem ungewöhnlichen Fall, dass eine solche Verbindung zu einem idealen Partner gelangt, dürfte ihnen jedoch nichts und niemand im Weg stehen.
»SILBERLINDE
Dieses ungewöhnliche und höchst attraktive Zauberstabholz war im neunzehnten Jahrhundert groß in Mode. Die Nachfrage übertraf das Angebot, und skrupellose Zauberstabmacher färbten minderwertige Hölzer ein, um Käufern vorzutäuschen, dass sie Silberlinde gekauft hätten. Die Gründe, weshalb dieser Zauberstab so begehrenswert war, waren nicht nur seine ungewöhnlich hübsche Erscheinung, sondern auch, dass er den Ruf hatte, für Seher und in Legilimentik Bewanderte hervorragend geeignet zu sein, beides geheimnisvolle Künste, die dem Besitzer eines Stabs aus Silberlinde auch beträchtliches Ansehen verliehen. Auf dem Höhepunkt der Nachfrage behauptete der Zauberstabmacher Arturo Cephalopos, dass der Zusammenhang von Silberlinde und Hellseherei eine ,,falsche Behauptung ist, verbreitet von Händlern wie Gerbold Ollivander (meinem Großvater), die in ihren Werkstätten zu große Bestände an Silberlinde angelegt haben und hoffen, ihre Überschüsse loszuwerden“. Aber Cephalopos war ein schludriger Zauberstabmacher und ein Ignorant, und niemand, ob Seher oder nicht, war überrascht, als er pleiteging.
»ULMENHOLZ
Der unbegründete Glaube, nur Reinblütige könnten mit Ulmenstäben zaubern, wurde zweifellos vom Besitzer eines solchen Zauberstabs in die Welt gesetzt, der beweisen wollte, was es mit seinem Blut auf sich hatte, denn ich kenne treffliche Partner von Ulmenstäben, die muggelstämmig sind. Die Wahrheit lautet, dass Ulmenstäbe Besitzer mit Ausstrahlung, Gewandtheit im Zaubern und einer gewissen naturgegeben Würde bevorzugen. Nach meiner Erfahrung produziert Ulme die wenigsten Unfälle und törichten Fehler, aber die elegantesten Zauber und Banne; dies sind raffinierte Zauberstäbe, in den richtigen Händen fähig zu höchstentwickelter Magie (was das Holz wiederum sehr begehrenswert macht für jene, welche die Weltsicht der Reinblüter vertreten).
»WEIDENHOLZ
Die Weide ist ein ungewöhnliches Zauberstabholz mit heilender Kraft, und ich habe festgestellt, dass dem idealen Besitzer eines Weiden-Zauberstabs oft von eine gewisse, häufig grundlose, Unsicherheit anhaftet, mag er oder sie dies noch so gut verbergen. Während viele selbstgewisse Kunden darauf bestehen, einen Weidenstab auszuprobieren (angelockt durch ihre schöne Gestalt und den durchaus gerechtfertigten Ruf, dass sie fortgeschrittene stumme Magie ermöglichen), entscheiden sich meine Weidenstäbe beharrlich für Zauberer mit dem größten Potential und nicht für jene, die glauben, sie hätten nur wenig zu lernen. Wer am weitesten reisen muss, kommt mit der Weide am schnellsten voran, ist in meiner Familie seit jeher ein geflügeltes Wort.
»WALNUSSHOLZ
Hochintelligenten Hexen und Zauberern sollte zuerst ein Walnuss-Zauberstab zur Erprobung angeboten werden, denn in neun von zehn Fällen finden die beiden im jeweils anderen den idealen Partner. Walnussstäbe sieht man oft in den Händen von Erneuerern und Erfindern der Magie; es ist ein schönes Holz, begabt mit ungewöhnlicher Gewandtheit und Anpassungsfähigkeit. Zur Vorsicht sei jedoch angemerkt: Während manche Hölzer schwer zu beherrschen sind und vielleicht der Ausführung von Zaubern widerstreben, die ihrer Natur fremd sind, wird der Walnussstab, einmal unterworfen, jede gewünschte Aufgabe seines Besitzers erledigen, vorausgesetzt, er ist ein hinreichend brillanter Zauberer. Dies macht den Stab zu einer wahrhaft tödlichen Waffe in den Händen von gewissenlosen Magiern, denn Stab und Zauberer können sich auf eine besonders ungesunde Art gegenseitig befeuer
»WEISBUCHENHOLZ
Mein eigener Zauberstab ist aus Weißbuche, und so behaupte ich in aller nötigen Bescheidenheit, dass die Weißbuche als Lebenspartner talentierte Hexen und Zauberer mit einer einzigen, reinen Leidenschaft auswählt, die fast immer in die Tat umgesetzt wird und von manchen Besessenheit genannt werden mag (während mir der Begriff „Vision“ lieber ist). Weißbuchenstäbe passen sich rascher als fast alle anderen dem Zauberstil ihres Besitzers an und entwickeln dann eine so persönliche Beziehung, dass andere ihn nur mit großen Schwierigkeiten selbst für die einfachsten Zauber heranziehen können. Weißbuchenstäbe übernehmen zudem den Ehrenkodex ihrer Besitzer, egal, wie dieser auch lauten mag, und weigern sich dann, Taten zu vollbringen – ob zum Guten oder zum Schlechten --, die nicht mit den Grundsätzen ihres Meister übereinstimmen. Ein besonders fein gestimmter und empfindsamer Zauberstab.
»WEISDORNHOLZ
Der Zauberstabmacher Gregorowitsch schrieb, dass Weißdorn „einen merkwürdigen, widersprüchlichen Zauberstab ergibt, voller Paradoxien wie der Baum, der ihn hervorbrachte, dessen Blätter und Blüten heilen, dessen geschnittene Zweige jedoch nach Tod riechen.“ Während ich mit vielen Schlussfolgerungen Gregorowitschs nicht übereinstimme, sind wir uns über die Weißdornstäbe einig, die ihrer Natur nach vielschichtig und faszinierend sind, genau wie die Besitzer, die am besten zu ihnen passen. Weißdorn-Zauberstäbe mögen besonders für die Heilmagie geeignet sein, doch sind sie auch in Flüchen bewandert, und ich habe allgemein festgestellt, dass der Weißdornstab sich besonders bei einer in sich konflikthaften Natur zu Hause fühlt, aber auch bei Hexen oder Zauberern, die Zeiten Umbruchs erleben. Weißdorn ist jedoch nicht leicht zu meistern, und ich würde nie etwas anderes in Betracht ziehen, als einen Weißdornstab in die Hände einer Hexe oder eines Zauberers von ausgewiesenem Talent zu geben, andernfalls könnten gefährliche Folgen eintreten. Weißdornstäbe haben eine bemerkenswerte Eigenheit: Ihre Zauber können, wenn schlecht ausgeführt, nach hinten losgehen.